Positionspapier
Stellungnahmen zum Einsatz von Antikoagulanzien zur Bekämpfung von Schadnagern – Gemeinsame Stellungnahme deutscher Fachverbände der Schädlingsbekämpfung zur Zulassungsverlängerung der Wirkstoffe und entsprechenden Biozid-Produkte im EU-Zulassungsverfahren.
Im Zulassungsverfahren der antikoagulanten Wirkstoffe und Biozid-Produkte bei der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA) wurde die Stellungnahme zur vergleichenden Bewertung von chemischen und nicht-chemischen Alternativen für die Nagerbekämpfung des Biocidal Product Committee (BPC) auf den Internetseiten der ECHA veröffentlicht. (ECHA/BPC/368/2022: Opinion on a request according to Article 75(1) of Regulation (EU) No 528/2012 on Questions regarding the comparative assessment of anticoagulant rodenticides, 22 November 2022 Link).
Die zuständige deutsche Behörde BAuA hat dazu eine Minority opinion eingereicht. (Stellungnahme der BAuA vom 25. November 2022 Link) Nach Auffassung der BAuA stellen Schlagfallen darin nicht nur eine geeignete Alternative für die Bekämpfung eines Befalls mit Mäusen in Innenräumen, sondern auch für das Permanentmonitoring und somit die befallsunabhängige Dauerbeköderung (BUD) dar.
Die unterzeichnenden Fachverbände haben erhebliche Bedenken bezüglich der Positionierung der beteiligten Deutschen Behörden BAuA und Umweltbundesamt (UBA), die wir Ihnen nachfolgend und im Einzelnen gerne erläutern wollen.
1. Entfall der Einsatzmöglichkeit von Antikoagulanzien zur Bekämpfung von Mäusen in Innenbereichen
Die deutschen Behörden BAuA und UBA vertreten die Auffassung, dass für die Bekämpfung von Hausmäusen in Innenbereichen der Einsatz von Rodentiziden mit antikoagulanten Wirkstoffen nicht länger erforderlich sei und gänzlich durch den Einsatz von Schlagfallen substituierbar wäre. Man stützt sich auf angebliche Studien, die das belegt hätten. Soweit uns bekannt (die Studie wurde bisher nicht veröffentlicht) bezieht man sich hier auf eine einzelne Untersuchung in einer einzelnen Befallssituation mit einem einzigen, spezifischen Schlagfallensystem. Das BPC hatte lt. seiner Stellungnahme offenbar bereits Zweifel, dass das für eine sichere Beurteilung ausreichen soll. (siehe Fußnote 26, ECHA/BPC/368/2022)
Aus fachlicher Sicht müssen wir hier ebenfalls entschieden widersprechen. Eine tilgende Bekämpfung allein durch den Einsatz von Schlagfallen ist in vielen Fällen nicht möglich. Antikoagulanzien sind nach wie vor unersetzbar, um dieses Ziel zu erreichen. Dies ergaben bereits die Prüfungen vergangener Zulassungsrunden. Eine tatsächliche technische Weiterentwicklung von Schlagfallen hat es seither nicht gegeben. Alleine die Erweiterung solcher Schlagfallen durch die Möglichkeit der elektronischen Meldung einer Auslösung auf digitalem Weg an den Verwender, machen Schlagfallen auch nicht fangwirksamer als bisher.
Diese technische Weiterentwicklung wurde aber als Begründung genannt, warum Schlagfallen heute ein Substitut darstellen sollen. In Gesprächen der Verbände mit den zuständigen Vertretern des UBA, Fachgebiet IV 1.2 „Biozide“, Herrn Dr. Erik Schmolz und Herrn Anton Friesen, wurde diese Auffassung geäußert. Wir haben aus diesem Anlass über die CEPA aktuell eine europaweite, repräsentative Umfrage unter 25.000 professionellen Schädlingsbekämpfer gestartet. Die Auswertung zeigt - 91% der Befragten geben an, dass eine Tilgung von Mäusebefall im Innenbereich durch den reinen Einsatz von Schlagfallen nur selten zu erreichen ist.
In der Konsequenz würde ein Wegfall dieser Anwendungsmöglichkeit bedeuten, dass Schutzziele insbesondere in hochsensiblen Hygienebereichen z.B. der Lebensmittelproduktion oder beim Schutz wichtiger Infrastruktur z.B. in der Energieversorgung oder der Kommunikationsnetzwerke nicht mehr erreicht werden.
Wir können hier im Übrigen auch den sachlich, wissenschaftlichen Ansatz der UBA-Position nicht nachvollziehen. Die umweltgefährdenden Eigenschaften der Persistenz und Bioakkumulierung sind unter keinem denkbaren Einsatzszenario nachvollziehbar. Ein Eintrag in die Umwelt ist bei sachgerechter Verwendung in Innenräumen vollkommen ausgeschlossen.
2. Entfall der befallsunabhängigen Dauerbeköderung (BUD)
Das UBA hat erklärt, dass man beabsichtige, die Regelungen zur sogenannten BUD nicht länger in den Zulassungen vorzusehen. Die dauerhafte Beköderung in Außenbereichen gilt zur Zeit aber häufig als einzig wirksames Mittel, bei ausreichend hohem Befallsdruck den ungehinderten Zulauf von Ratten in Schutzbereiche zu verhindern. Zwar lässt sich der Einsatz durch zusätzliche Maßnahmen, wie Gebäudeabsicherungen, Vermeidung von Attraktoren, Beseitigung von Nistungen im unmittelbaren Objektumfeld, etc auf ein nötiges Minimum reduzieren, aber die BUD ist unersetzbares Werkzeug, wenn insbesondere in engen urbanen Lagen, kein direkter Einfluss auf die Befallsursache innerhalb der Objektbetreuung genommen werden kann. Hier ist eine dauerhafte Beköderung unbedingt geboten. Wir gehen konform, dass der Begriff „befallsunabhängig“ hier möglicherweise umgedeutet werden sollte. Besser wären Begriffe wie „strategische Dauerbeköderung“ oder „befallsdruckrelevante Dauerbeköderung“.
Die Folgen bei einem Wegfall dieser Einsatzmöglichkeit sind, wie bereits zuvor beschrieben, gravierend. Nach unserer Auffassung findet hier seitens der Bundesbehörde keine ausgewogene Abwägung der Schutzgüter mehr statt. Dem Umweltschutz wird der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, der Infektionsschutz und der Schutz von Sachgütern rigoros untergeordnet. Bei der Bewertung der Umweltgefährdung wird nach unserer Feststellung auch nicht länger der wissenschaftlich, evidenzbasierte Ansatz verfolgt. Die beiden dazu bisher vorgebrachten Studien, die einen Eintrag und Akkumulierung von Wirkstoffen in die Umwelt belegen sollen, sind von fragwürdigem wissenschaftlichen Wert und noch dazu durch das UBA teils sogar widersprüchlich zum eigentlichen Studienergebnis interpretiert worden. Die hierzu vorliegenden Veröffentlichungen erwecken inzwischen tatsächlich häufig den Eindruck, dass der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn einem gewissen Gesinnungstrieb weichen musste. Wir kritisieren das auf das Schärfste und fordern hier dringend wieder eine Rückkehr zu einer sachlichen und ergebnisorientierten Handlungsweise. Schon verfassungsgemäß ist die Aufgabe des Umweltbundesamtes so definiert, dass es die Bundesregierung objektiv fachwissenschaftlich beraten und die Bevölkerung aufklären soll.
3. Beköderung gegen Ratten in Kanalisationssystemen
Im Zuge der Neuzulassung steht zu befürchten, dass auch für den nötigen Einsatz von Rodentiziden in der Kanalisation, eine Position durchgesetzt werden soll, die insbesondere das UBA aktuell nach außen offen vertritt. Dabei geht es darum, dass auch schon bisher Bestandteil der Produktzulassungen für diesen Anwendungsbereich eine Vorgabe ist, dass die ausgebrachten Köder nicht mit Wasser/Abwasser in Kontakt kommen dürfen. Deshalb sollen Köder nur noch in dafür zugelassenen Köderschutzstationen ausgebracht werden.
Vorausgreifend stellen wir hierzu klar – die vorgegebene Vermeidung des Kontakts mit dem Abwasser lässt sich auf vielfältige Weise sicherstellen. Die alleinige Beschränkung auf entsprechende Schutzstationen ist vollkommen unangemessen. Köderschutzstationen können sinnvoll eingesetzt werden, wenn aufgrund der äußeren Umstände nicht sichergestellt werden kann, dass z.B. ein Kanalbereich auch schon bei kurzzeitig auftretenden Regenereignissen regelmäßig einstauen kann. Gleichwohl gibt es zahllose Anwendungsbeispiele, in denen der Anwender das von vorneherein ausschließen kann. Bei ausreichender Kenntnis der hydraulischen Systeme und Wirkweisen von Abwasserkanälen, kann sehr wohl auch eine sichere Ausbringung eines Köders an Haltedrähten wirksam den Kontakt mit Wasser vermeiden. Eine solche Art der Beköderung verkürzt zudem in der Regel die Bekämpfungsdauer erheblich. Hierzu muss bitte zur Kenntnis genommen werden, das bereits heute 72% der bundesdeutschen Abwasserkanalisation in modernen Trennsystemen (Schmutzwasser/Regenwasser) ausgeführt sind. Mischsysteme werden sukzessiv und im Zuge der regelmäßigen Kanalsanierung nach und nach zwingend auf Trennsysteme umgestellt bzw. nachgerüstet. Ein Einstauen von Regenwasser im Schmutzwasserteil eines Trennsystems ist aus fachlicher Beurteilung auch bei Starkregenereignissen nahezu ausgeschlossen.
Wir bedauern in diesem Zusammenhang, dass seitens des UBA nicht frühzeitig auch das Gespräch mit allen involvierten Kreisen gesucht wurde. Eine bevorzugte Beratung ausgerechnet mit Vertretern aus dem Herstellerbereich von Köderschutzstationen kann erwartungsgemäß nicht zu einem fachlich objektiven Ergebnis führen. Wir fordern daher auch hier dazu auf, wieder zum wissenschaftlich, evidenzbasierten Ansatz zurückzukehren und insbesondere der Verpflichtung zur sachrichtigen Aufklärung nachzukommen. Zur Zeit sind die öffentlichen Aussagen des UBA zu dieser Thematik sehr verunsichernd und faktisch nicht richtig. Für die Ausbringung von Ködern in Kanalsystemen gibt es seit 2022 den „Leitfaden zur Rattenbekämpfung in der öffentlichen Kanalisation“, der den aktuellen Stand der Technik ausreichend und umfassend beschreibt und eine zulassungskonforme Anwendung von Rodentiziden bei sachgerechter Verwendung gewährleistet. Der Leitfaden wurde aus der Branche der Schädlingsbekämpfer heraus unter Beteiligung aller Interessengruppen und auch des Umweltbundesamtes entwickelt.
Diese Stellungnahme entstand in enger Abstimmung mit allen deutschen Fachverbänden der Schädlingsbekämpfung.
gezeichnet
Die Verbände
Berliner Schädlingsbekämpfungsverein e.V.
info@kammerjaegerverein-berlin.de
Brandenburgischer Schädlingsbekämpfer-Verband e.V.
info@brandenburgischer-schaedlingsbekaempfer-verband.de
Deutscher Schädlingsbekämpfer-Verband e.V. (DSV)
info@dsvonline.de
German Pest Control Board (GPCB)
info@gpcb.eu
Schädlingsbekämpfer-Verband NRW e.V.
info@snrw.de
Schädlingsbekämpfer-Verband Sachsen e.V.
svs@svssachsen.de
Schädlingsbekämpfer-Verband West e.V.
info@sbvwest.de
Verbund Regionaler Schädlingsbekämpfer e.V.
kontakt@vrs-deutschland.de
Rückfragen können Sie an die o.g. Verbände direkt oder in Form einer zentralen Kontaktaufnahme zur vereinfachten, gleichzeitigen Weiterleitung an alle Fachverbände auch an info@inge-s.de richten. (Eine nur auszugsweise Veröffentlichung oder Weitergabe dieser Stellungnahme ist nicht gestattet und bedarf der vorherigen Genehmigung der Verfasser)